Netzwerk Plurale Ökonomik e.V.

Teilnehmer*innen der jährlichen Sommerakademie für Plurale Ökonomik

Ort: Über 30 Lokalgruppen im deutschsprachigen Raum
Seit: 2007
Bis:
Aktiv in: Lehre; Netzwerke aufbauen; Campaigning
Kategorie: Netzwerke und Plattformen, Studentische Initiativen
Website

Das übergeordnete Ziel eurer Arbeit:

Unser Ziel ist es, der Vielfalt ökonomischer Theorien und Methoden Raum zu geben, die Lösung realer Probleme in den Vordergrund zu stellen sowie Selbstkritik, Reflexion und Offenheit in der VWL gegenüber anderen Disziplinen zu fördern.

 

Beschreibt in bis zu 100 Worten, wer ihr seid und was ihr macht:

Als kritische Studierende der VWL und benachbarter Disziplinen setzen wir uns für eine plurale ökonomische Lehre ein, die angehende Ökonom*innen dazu befähigt, globalen Herausforderungen wie der Klimakrise und steigender Ungleichheit gerecht zu werden. In über 30 Lokalgruppen organisieren wir u.a. Ringvorlesungen, Lesekreise und Konferenzen, um das lokale Lehrangebot zu verbessern. Mit Exploring Economics und dem Zertifikatsprojekt machen wir plural-ökonomische Inhalte für Studierende & Lehrende zugänglich und im Studium formal anrechenbar. Außerdem vernetzen wir uns mit der Politik, um z.B. Professuren für Plurale Ökonomik zu schaffen und unterstützen Kampagnen für mehr Pluralität und Diversität im VWL-Studium, um auf die gesellschaftliche Relevanz guter ökonomischer Bildung aufmerksam zu machen.

 

3 thematische Schwerpunkte eurer Arbeit:

Lehr- und Lernmaterialien rund um Plurale Ökonomik zugänglich machen und in die universitäre Lehre integrieren

Vernetzung von VWL-Studierenden und Nachwuchs-Wissenschaftler*innen rund um die kritische Auseinandersetzung mit Themen der pluralen Ökonomik

Den Diskurs um zukunftsfähige ökonomische Bildung in die Öffentlichkeit tragen

 

Beschreibt eure Aktivitäten in zehn Stichworten:

Selbstbildung; Kritik an der VWL; Ringvorlesungen; Konferenzen; internationale und regionale Vernetzung; E-Learning Plattform; Akkreditierung; Forderungen bündeln; Hochschulpolitik; Landespolitik

Wo würdet ihr eure Praxis verorten zwischen…

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Nische            

Gesamt-
gesellschaftlicher
Gegenentwurf

Unsere Forderungen fokussieren sich auf die Reform der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre und ihrer Institutionen, stehen aber in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Herausforderungen.

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Wissenschaft

Aktivismus

Wir organisieren Bildungsformate, um uns selbst und Interessierte im Bereich plurale Ökonomik weiterzubilden und setzen uns dafür ein, dass ökonomische Lehre strukturell reformiert wird.

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Ehrenamt       

Hauptamt

Ein Großteil der Arbeit wird von ehrenamtlich Engagierten getragen, auch der Vorstand arbeitet ehrenamtlich. Darüber hinaus beschäftigt das Netzwerk 5 Teilzeitstellen und 4 studentische Hilfskräfte.

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Realpolitik      

Utopie

In unserem Impulspapier formulieren wir umfassende Forderungen, welche grundsätzliche Änderungen wie z.B. die Diversifizierung von Bewertungskriterien innerhalb der ökonomischen Disziplin umfassen. Angesichts der momentanen Verfasstheit der Wirtschaftswissenschaften ist es bis dahin noch ein langer Weg. In verschiedenen Bundesländern vernetzen wir uns mit Landtagsabgeordneten verschiedener Parteien, z.B. um die Etablierung von Professuren für Plurale Ökonomik voranzutreiben. Dass diese Forderungen realistisch sind, zeigen erste Erfolge z.B. in Schleswig-Holstein.

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Etabliert          

Newcomer

Wir sind Studierende und im Wissenschaftsbetrieb daher mit wenig kulturellem und sozialem Kapital ausgestattet. Über die Zeit hat das Netzwerk aber im deutschsprachigen Raum an Bekanntheit gewonnen und ist in der ökonomischen Szene als einer der größten Player im Bereich Plurale Ökonomik bekannt.

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Top-down      

Bottom-up

Wir sind basisdemokratisch organisiert. Wichtige Entscheidungen treffen wir im Plenum.

Mit welcher eurer Aktivitäten aus der letzten Zeit seid ihr besonders zufrieden und warum?

Nach zweijähriger Arbeit haben wir im letzten Jahr unsere “Impulse für eine plurale Ökonomik” veröffentlicht. Auf 40 bzw. in einer Kurzversion von 4 Seiten haben wir hier unsere Kritik an der ökonomischen Lehre gebündelt sowie unsere Lösungsvorschläge in verschiedenen Bereichen dargelegt. Auf diese Vorschläge können wir uns jetzt in Diskussionen und Debatten beziehen und auf unsere konstruktiven Vorschläge sowie Beispiele der Best/Worst Practice verweisen. Das Impulspapier wendet sich an Lehrende sowie an Vertreter*innen aus Hochschul-, Landes- und Bundespolitik, bietet aber auch Interessierten und Unterstützer*innen die Möglichkeit, unsere Positionen kompakt nachzuvollziehen.

Besonders erfolgreich waren unsere zwei Großprojekte der letzten Jahre: Mit Exploring Economics haben wir inzwischen eine Lernplattform mit mehr als 40 000 Aufrufen pro Monat geschaffen, auf der sich Studierende multimedial zu verschiedenen Denkschulen informieren können. Die Plattform ist mittlerweile auf 4 Sprachen verfügbar und es werden beständig weitere Funktionen hinzugefügt wie z.B. eine Austauschplattform für Lehrmaterialien und eine E-Library.

Das Zertifikatsprojekt hat im Sommersemester 2021 erstmals einen Massive Open Online Course (MOOC) auf die Beine gestellt. Der Kurs “European Macroeconomics”, der von Prof. Dr. Peter Bofinger an der Universität Würzburg gehalten wurde, bietet eine Alternative zu den einseitigen Standard-Makroökonomik-Kursen und ist mitsamt Begleitmaterialien frei im Netz verfügbar. Das Zertifikatsprojekt arbeitet nun daran, diesen Kurs auch an verschiedenen Universitäten anrechenbar zu machen.

 

Welche Aktivitäten habt ihr als nächstes geplant?

Neben den Zielen der einzelnen Projekte und AGs des Netzwerks wie dem Ausbau und der Internationalisierung der Lernplattform Exploring Economics, der Akkreditierung von immer mehr plural-ökonomischen Kursen (Zertifikatsprojekt), der Vernetzung und Gründung weiterer Lokalgruppen (Interne Vernetzung), Zusammenarbeit mit Organisationen aus dem Umfeld der Pluralen Ökonomik (Externe Vernetzung), der Neugestaltung unseres Web-Auftritts (Öffentlichkeitsarbeit) oder dem Kontakt zu verschiedenen Landespolitiker*innen, um plurale Professuren nach dem Vorbild von Schleswig-Holstein zu etablieren (AK Politik und verschiedene Lokalgruppen), befinden wir uns gerade in einem Prozess, Vision und Mission des Netzwerks als Ganzes zu stärken. Die neu gegründete Strategie-AG des Netzwerks beschäftigt sich momentan damit, eine “Theorie of Change” zu entwickeln, in der sich alle AGs und Projekte wiederfinden, um ihre Ressourcen fokussiert für die gemeinsamen Ziele einsetzen zu können. Ausgangspunkt stellt ein Workshop auf unserer letzten Frühjahrstagung dar, aus dem heraus eine gemeinsame Strategie gefunden und durch Feedback-Prozesse abgestimmt werden soll.

 

Zu welchem Thema würdet ihr gerne arbeiten oder aktiv werden, wenn ihr keinen praktischen Einschränkungen (z.B. Finanzierung, Zeit) unterläget?

Unser Ziel ist die Etablierung plural-ökonomischer Lehre als fester Bestandteil wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge. Ohne zeitliche und finanzielle Restriktionen würden wir gerne das Lehrangebot z.B. durch Ringvorlesungen und Module zu bisher marginalisierten Theorieschulen ausbauen und anrechenbar machen, sodass es an jeder Universität möglich ist, Kurse im Bereich pluraler Ökonomik zu belegen. Außerdem möchten wir uns im internationalen Feld stärker mit Initiativen und Organisationen vernetzen.

Welche zentrale Lernerfahrung habt ihr in eurer Arbeit zu Transdisziplinarität und transformativer Wissenschaft gemacht?

Zu Beginn unserer Arbeit haben wir auf die Hoffnung gesetzt, innerhalb der Universitäten und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten Veränderungen hin zu einer vielseitigen ökonomischen Lehre bewirken zu können. Es hat sich aber gezeigt, dass die akademischen Strukturen innerhalb der VWL relativ starr sind. Obwohl es in der Vergangenheit schon Änderungen gab, ist es nicht zu erwarten, dass aus den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten heraus alleine die nötigen Reformen stattfinden. Daher setzen wir in letzter Zeit auch stärker auf externe Unterstützung, wie z.B. die Förderung plural-ökonomischer Lehre durch die Landespolitik oder Kooperationen mit außer-universitären Institutionen wie z.B. das IMK oder die GLS-Treuhand, welche schon mehrere durch das Netzwerk organisierte Konferenzen unterstützten.

 

Was ist euer Geheimtipp für die Arbeit zu Transdisziplinarität und transformativer Wissenschaft?

Wir setzen auf verschiedene Strategien mit unterschiedlichen Zielgruppen und Zeithorizonten. Während unsere Lokalgruppen direkt “an der Basis” mit Lehrenden das Gespräch suchen und interessierten Studierenden einen Anlaufpunkt bieten, um sich jenseits der Lehrbuchökonomik weiterzubilden, arbeiten z.B. das Zertifikatsprojekt und der Arbeitskreis Politik innerhalb des Netzwerks daran, auf übergeordneter Ebene strukturelle Veränderungen zu bewirken. Weiterhin setzen wir ganz breit gefasst darauf, das Thema Plurale Ökonomik im öffentlichen Diskurs zu verankern und so auch externen Druck für eine Reform der VWL anzustoßen.

 

Was ist die größte Herausforderung bei Aktivitäten zu Transdisziplinarität und transformativer Wissenschaft?

Für uns besteht eine große Herausforderung darin, durch unsere Forderung nach ökonomischer Lehre, die sich auch explizit mit globalen Problemen befasst, von Vertreter*innen der Mainstream-Ökonomik als “ideologisch” wahrgenommen und dadurch nicht ernst genommen zu werden. Dies verschärft sich insbesondere dadurch, dass das Selbstverständnis innerhalb des neoklassischen Paradigmas selbst davon geprägt ist, vermeintlich “werturteilsfrei” und “objektiv” auf ökonomische Zusammenhänge zu blicken. Um dieses Zerrbild zu entschärfen, ist es uns wichtig zu betonen, dass wir auf eine Vielfalt an ökonomischen Theorien setzen, aber keine davon explizit bevorzugen. Außerdem bemühen wir uns im Kontakt mit der Politik, stets mit Vertreter*innen aller demokratischen Parteien zu reden.

 

Welche institutionellen und/oder strukturellen Faktoren erschweren euch die Aktivitäten im Bereich Transdisziplinarität und transformative Wissenschaft?

Der “Reproduktionskreislauf der Ökonomischen Lehre” ist schwer zu durchbrechen. Einmal im dominanten Paradigma der neoklassisch fundierten Lehrbuch-Ökonomik ausgebildete Ökonom*innen sind im Zuge ihrer Karriere schwer davon zu überzeugen, dass es für eine gute ökonomische Bildung auch weitere Perspektiven braucht. Dadurch, dass die Bewertungskriterien für die Berufung von Professuren oft mit der Publikation in sog. “High-ranked” Journals zusammenhängen, welche wiederum fast ausschließlich Artikel aus dem neoklassischen Paradigma veröffentlichen, wird der Kreislauf einer sich weiter verfestigenden Einseitigkeit ökonomischer Lehre noch verstärkt.

Stand: August 2021